Fußfehlstellungen & Schmerzen: Was die aktuelle Forschung zeigt
- Maximilian Starkmann

- 12. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Sept.
Viele Menschen mit Rücken-, Hüft- oder Knieschmerzen ahnen nicht, dass die Ursachen unten am Fuß beginnen können. Fehlstellungen wie Überpronation (das Einsinken des Fußes nach innen) oder Beinlängendifferenzen verändern die Beinachse – und damit die Belastung von Knie, Hüfte und Rücken. Das kann Schmerzen begünstigen und aufrechterhalten (Castro-Méndez, Munuera-Martínez & Sánchez-Rodríguez, 2013).
Wie der Fuß den Rest des Körpers beeinflusst
Überpronation dreht Unterschenkel und Oberschenkel nach innen und kippt das Becken nach vorn. Das erhöht die Muskelspannung und kann die Lendenwirbelsäule belasten (Castro-Méndez et al., 2013).
Beinlängendifferenz (LLD), auch milde Unterschiede, stört die Symmetrie des Gangs und wird mit Beschwerden von Knie bis Rücken in Verbindung gebracht (Menez et al., 2020).
Bei entzündlichen Fußproblemen (z. B. Rheumatoide Arthritis) treten Fuß-/Sprunggelenksschmerzen häufig auf. Einlagen werden dort als konservative Erstlinie eingesetzt, um Lasten zu verlagern und Gelenke zu stabilisieren (Simonsen et al., 2022).
Was sagen Studien zu Einlagen und Schuhen?
1) Überpronation & chronischer Rückenschmerz: RCTs mit Individuellen-Einlagen
Randomisiert, doppelblind (n=51, 4 Wochen): Bei Personen mit exzessiver Pronation und chronischem LWS-Schmerz reduzierten maßgefertigte Einlagen Schmerz (VAS) und Einschränkung (ODI) signifikant gegenüber Placebo (Castro-Méndez et al., 2013).
Randomisiert, doppelblind (n=101, 4 Wochen): In einer größeren Studie mit proniertem Fuß und unspezifischem CLBP verbesserten individuelle Einlagen Schmerz (VAS) und Einschränkung (ODI) deutlich gegenüber Placebo-Einlagen (Castro-Méndez et al., 2021).
Take-away: Bei proniertem Fuß können individuelle Einlagen binnen weniger Wochen Schmerzen und Alltagsfunktion verbessern. Das wurde in zwei RCTs gezeigt (Castro-Méndez et al., 2013; Castro-Méndez et al., 2021).
2) Rückenbeschwerden allgemein: Meta-Analyse zu Einlagen & „instabilen“ Schuhen
Systematische Übersichtsarbeit + Meta-Analyse (14 RCTs): Für individuelle Orthesen bei chronischem LWS-Schmerz fand sich moderate Evidenz für Verbesserungen bei Schmerz und Disability gegenüber keiner Einlage. Instabile Schuhe zeigten moderate Evidenz für Disability, die Schmerz- und Lebensqualitätsdaten waren jedoch niedrig in der Qualität (Kong et al., 2020).
Take-away: Auf Gruppenebene können Einlagen helfen. Die Evidenz ist moderat und heterogen, was eine individualisierte Auswahl sinnvoll macht (Kong et al., 2020).
3) Individuelle-Einlagen vs. vorgefertigte Einlagen: Kurzfristige Wirksamkeit
Randomisierte Crossover-Studie (n=42): Vollkontakt-Maßeinlagen reduzierten Schmerzen der Beine nach drei Wochen klinisch bedeutsam, während vorgefertigte Einlagen initial keine vergleichbare Verbesserung zeigten (Trotter & Pierrynowski, 2008).
Take-away: Wenn Einlagen, dann sprechen Daten eher für individuelle Lösungen; zumindest kurzfristig (Trotter & Pierrynowski, 2008).
4) Beinlängendifferenz (LLD): Symmetrie & Schmerz
Retrospektive Ganganalyse (n=46): Bei milder LLD (≤ 1 cm und > 1 cm) verbesserten orthopädische Einlagen die Gang-Symmetrie (Becken/OSG) sofort und reduzierten unmittelbar den Schmerz; unabhängig von der LLD-Gruppe (Menez et al., 2020).
Take-away: Auch kleine Längendifferenzen lohnen eine Versorgung. Kurzfristig gibt es eine bessere Symmetrie und weniger Schmerz (Menez et al., 2020).
5) Rheumatoide Arthritis (RA): Mechanismus + Schmerz
Quasi-experimentell (n=25, je 4 Wochen): Gegenüber einer Placebo-Einlage senkten individuelle Einlagen Fuß-/Knöchelschmerz deutlich und veränderten die Momente im Sprunggelenk (geringere Plantarflexions- und Eversionsmomente). Die Schrittzahl blieb unverändert (Simonsen et al., 2022).
Take-away: Weniger Schmerz durch geänderte Gelenkmomente; plausibler Wirkmechanismus, auch ohne „mehr Schritte“ (Simonsen et al., 2022).
Warum können Einlagen wirken? (biomechanisch betrachtet)
Ausrichtung & Kette: Eine korrigierte Fußstellung kann Rotationen im Bein reduzieren, das Becken stabilisieren und lumbale Lasten senken; eine in der Literatur beschriebene Kettenreaktion bei Überpronation (Castro-Méndez et al., 2013).
Lastverteilung & Momente: Bei rheumatoider Arthrotitis zeigte sich: Individuelle Einlagen senken Plantarflexions-/Eversionsmomente am Sprunggelenk, was zu weniger lokaler Last → weniger Schmerz führte (Simonsen et al., 2022).
Symmetrie: Bei LLD verbessern Einlagen die Gang-Symmetrie und reduzieren damit asynchrone Belastungen, die Beschwerden fördern können (Menez et al., 2020).
Was heißt das für dich?
Screening lohnt sich, wenn Rücken-, Hüft-, Knie- oder Achillessehnenschmerz trotz Training/Physio persistiert. Checke deine Fußstellung und Beinlängendifferenz (Castro-Méndez et al., 2013; Menez et al., 2020).
Individuelle Einlagen zeigen bei proniertem Fuß + CLBP in RCTs kurzfristige Vorteile (4 Wochen). Erwartungsmanagement: schneller Nutzen möglich, aber Langzeitverlauf ist weniger gut untersucht (Castro-Méndez et al., 2013; Castro-Méndez et al., 2021).
Evidenzqualität ist gemischt (gesamt moderat): Die Individualisierung (Fußtyp, Symptome, Alltag) ist entscheidend (Kong et al., 2020).
Vorgefertigt vs. maßgefertigt: Kurzfristig sprechen Daten eher für maßgefertigt, vor allem bei klarer Fehlstellung (Trotter & Pierrynowski, 2008).
Auch kleine Beinlängendifferenzen (≤ 1 cm) können relevant sein; eine einfache Einlagenkorrektur kann sofort Symmetrie und Schmerz verbessern (Menez et al., 2020).
Kurzfazit
Fußfehlstellungen wie Überpronation oder Beinlängendifferenzen stehen nachweislich mit Beschwerden im Muskel-Skelett-System in Verbindung (Castro-Méndez et al., 2013; Menez et al., 2020).
Maßgefertigte Einlagen können bei proniertem Fuß und chronischem LWS-Schmerz die Beschwerden kurzfristig deutlich reduzieren; die Gesamt-Evidenz ist moderat (Castro-Méndez et al., 2013; Castro-Méndez et al., 2021; Kong et al., 2020).
Bei Beinlängendifferenzen verbessern Einlagen Symmetrie und akuten Schmerz; auch schon bei milden Unterschieden (Menez et al., 2020).
Bei rheumatoider Arthritis lindern Einlagen Fuß-/Knöchelschmerz und verändern die Gelenkmomente (Simonsen et al., 2022).


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